Dieser Utopia-Blog ist der wahrscheinlich konkreteste bis jetzt. Denn die „o4U-Fußballschule“ ist tatsächlich ein Projekt, das wir gerade austesten und entwickeln und bei dem die Realität am Ende gar nicht so weit weg von diesem Artikel sein könnte.
Allerdings will ich keine Mauern ziehen, die unsere Ideen eingrenzen, sondern ein Fundament der Inspiration schaffen, damit sich die Idee noch schneller ausbreiten und weiterentwickeln kann. Nichts muss, alles kann und ich wünsche Dir viel Spaß beim Lesen.
Dienstag, 15:30
Jetzt will ich aber wirklich los, Mama!“ Levin springt vom Tisch auf, stellt seinen Teller noch schnell in die Spülmaschine und flitzt in sein Zimmer. Dort schwingt er sich seinen Rucksack mit Sportsachen auf den Rücken und macht noch einen kurzen Abstecher zurück in die Küche, wo seine Mutter bereits die Trinkflasche bereithält.
Woher sie es immer weiß, wenn ich etwas vergessen habe?
Sie schaut ihn mit dem Blick an, den er nur zu gut kennt und er nimmt sie kurz in den Arm und lässt sich einen Kuss auf die Backe drücken. Er ist sich manchmal nicht ganz sicher, ob das mit zwölf noch cool ist, aber irgendwie ist es doch auch schön.
Jetzt aber schnell aufs Fahrrad und ab die Post. Vor dem Training will ich auf jeden Fall noch ein bisschen Zeit mit den anderen Jungs verbringen.
Als er beim o4U-Sportplatz ankommt und mit seinem Fahrrad den gewohnten Weg zwischen Tennishalle und Volleyballfeld nimmt, hört er schon die fröhlichen Stimmen seiner Mitspieler und Trainer. Er kann sich fast denken, worum es geht, und sein Verdacht wird bestätigt, als er um die Ecke biegt und sieht, wie sein Trainer Roger unter großem Gejohle der Spieler zum Elfmeter anläuft und den Ball meilenweit über die Querlatte jagt. Was allerdings kein Zufall war:
Wie jede Woche hatten sie zum Thema der Woche ein Vorbereitungsvideo von Roger bekommen. Passend zum dieswöchigen Thema „Umgang mit Angst und Druck“ hatte Roger neben den üblichen Tipps und Infos ein Video von einem seiner eigenen früheren Spiele eingebettet, in dem er einen entscheidenden Elfmeter weit übers Tor geschossen hatte. Das hatten sich natürlich alle angeschaut!
Bevor Levin die anderen begrüßt, geht er noch beim „W/L-Whiteboard“ vorbei und schreibt seinen Namen unter „Der Motivator – heute feuere ich meine Mitspieler positiv an.“ Dort trägt man vor jedem Training oder Spiel ein, worauf man heute besonders achten will und später darf man dann für sich selbst entscheiden, ob es ein W (für Win) oder L (für Loss) war. Es gibt verschiedene Optionen, aber man kann auch etwas Neues dazuschreiben. Am Anfang fand Levin es immer ein bisschen komisch, aber mittlerweile merkt er immer mehr, wie es ihm hilft, seine Zufriedenheit weniger vom Ergebnis oder anderen äußeren Faktoren abhängig zu machen.
Jetzt aber ab aufs Feld und noch ein bisschen kicken, bevor das Training richtig losgeht.
Nachdem er alle begrüßt hat, stürzt Levin sich mit ins Getümmel und nach gefühlten 30 Sekunden rufen Roger und die anderen Trainer sie schon in der Mitte zusammen und das Training geht los. Wie immer beginnen sie mit einer Minute Stille. Ob man die Augen auf oder zu macht, darf man selbst entscheiden, aber für eine Minute macht niemand einen Mucks. Es fühlt sich jedes Mal erstaunlich lange an und wie immer hat Levin das Gefühl, so richtig angekommen zu sein, als er seine Augen wieder öffnet. Als Einstieg sprechen sie heute kurz über Momente der Angst und des Drucks. Roger erzählt, wie es sich für ihn angefühlt hat, als er den Elfmeter verschossen hat und fragt danach in die Runde, ob es auch bei anderen Momente gab, in denen sie unter Druck standen und dann versagt haben. Und natürlich gab es die.
Ein paar Spieler teilen ihre Erfahrungen und Geschichten. Manche sind sehr persönlich, andere eher lustig und es tut gut, seine eigene Geschichte zu erzählen und den anderen zuzuhören. Denn natürlich kennt jeder das Gefühl von Angst und jedem fällt es unter Druck schwerer, seine Leistung zu bringen.
Dann geht es los mit der ersten Übung. Wie fast immer gibt es zu Beginn verschiedene Auswahlmöglichkeiten. Wie bei der Freiarbeitszeit an einer Montessori-Schule darf jeder sich aussuchen, was er machen möchte.
Ich will unbedingt weiter meinen schwachen Fuß verbessern, um noch torgefährlicher zu werden.
Also geht Levin zu der Gruppe, bei der der schwache Fuß im Vordergrund steht und verbringt die nächsten Minuten in voller Konzentration damit, an seinen technischen Fähigkeiten zu feilen. Wie Roger vor ein paar Wochen erklärt hat, stoßen Levin und seine Mitspieler jedes Mal einen Jubelschrei aus, wenn ihnen etwas gut gelingt. Das klingt von außen ein bisschen wie eine wildgewordene Affenhorde, aber macht ihnen riesig Spaß und steigert ihre Motivation, Neues auszuprobieren.
Nach 15 Minuten des Kreischens und Kickens treffen sich alle wieder in der Mitte des Feldes. Greta – eine Trainerin – fragt in die Runde, was denn ihre Ideen und Lieblingstools sind, um mit Druck umzugehen. Es werden ein paar Ideen aus Rogers Video genannt, wie zum Beispiel Mantras oder der Fokus auf den Atem, aber es gibt auch ein paar ganz neue Ideen. Levin ist ziemlich stolz auf seinen eigenen Beitrag, nämlich die Visualisierung. Seit sie das Thema im Training vor ein paar Wochen hatten, hat er regelmäßig visualisiert und gemerkt, wie sehr ihm das hilft. Sogar bei einer Klassenarbeit hatte er das Mal angewendet.
Bei der nächsten Übung gibt es viele Zweikämpfe und Eins-gegen-Eins-Duelle, aber man hat auch immer wieder kurz Pause, um in sich zu gehen und sich auf die nächste Situation vorzubereiten. Levin probiert viele verschiedene Sachen aus und tatsächlich: Er merkt, wie die verschiedenen Tools ihm helfen, seinen Kopf zu leeren und „einfach Fußball zu spielen“. Denn wie Roger im Video erklärt hat: „Der Nummer Eins Grund für Versagen in wichtigen Momenten ist, nachzudenken.“
Das Niveau insgesamt ist extrem hoch, denn Levin ist natürlich nicht der Einzige, der direkt von den Tipps profitiert. Nach den 20 Minuten der Übung hat er das Gefühl, dass seine Zweikampfführung sich um ein Vielfaches verbessert hat. Roger entlässt sie in eine kurze Trinkpause, allerdings wie immer mit einer kleinen Aufgabe. Heute soll jeder mindestens ein Kompliment machen. Klassischer Roger! Levin fühlt sich sehr geschmeichelt, als ihn gleich mehrere für seinen Einsatz loben, aber es macht ihm sogar noch mehr Spaß, seinerseits Lob zu verteilen und zu sehen, wie es die anderen freut.
Jetzt aber genug der Liebe und zurück zum Fußball. Auf dem Feld liegen schon die Leibchen und wie immer werden die Teams selbst gebildet. Es wird „Barcelona“ gespielt. Enges Feld mit viel Tempo, sobald ein Tor fällt, kommt eine neue Mannschaft ins Feld. Levin erwischt sich in den Pausen immer wieder selbst dabei, wie er sich auf seinen Atem fokussiert und manchmal sogar kurz seine Augen schließt. Das „Barcelona“ ist wie immer ein großer Spaß. Aber es ist -anders als sonst – heute nicht die letzte Übung.
Passend zum Thema des Trainings gibt es zum Abschluss noch eine Runde Elfmeterschießen. Allerdings kein ganz normales. Auf einer Musikbox ist voll aufgedrehte Stadionatmosphäre zu hören. Die anderen Spieler und Trainer verteilen sich um den Schützen, den Strafraum und das Tor und haben die Aufgabe, für ganz viel Ablenkung und Druck zu sorgen. Manche machen Lärm, andere schneiden Grimassen oder hüpfen durch die Gegend. Außerdem muss jeder, der nicht trifft, drei Temporunden laufen. Die äußeren Umstände sind also alles andere als einfach. Aber Levin freut sich sogar darauf.
Zum Glück habe ich in den letzten Wochen ganz oft visualisiert, den entscheidenden Elfmeter im Champions League-Finale zu schießen. Das ist nochmal deutlich mehr Druck als ein paar tanzende Gestalten und ein paar Temporunden.
Nach und nach schießen die anderen. Manche treffen, andere verschießen und ihnen allen merkt man an, dass es kein ganz normales Elferschießen ist. Allerdings ist es auch deutlich zu erkennen, wie fast jeder vor dem Schuss nochmal kurz in sich geht und einmal tief durchatmet. Und noch viel cooler: Nach jedem Elfmeter sind sofort ein paar Mitspieler beim Schützen, um ihm zu gratulieren oder ihn aufzumuntern.
Dann ist Levin an der Reihe. Er atmet einmal tief durch und der Lärm ebbt ab. Er schließt kurz seine Augen und sieht vor seinem inneren Auge wie der Ball rechts oben im Winkel einschlägt. Mit einem zufriedenen Lächeln öffnet er seine Augen, läuft an und setzt den Ball oben rechts in den Winkel. Als hätte er es schon Hunderte Male gemacht. Aber das hat er ja auch, nur nicht in echt, sondern in seinem Kopf. Er nimmt die Glückwünsche seiner Kollegen gelassen entgegen und schaut die letzten Schüsse an. Zum Abschluss nimmt sich Roger noch einmal den Ball, aber dieses Mal verwandelt er eiskalt.
Danach endet das Training wie immer mit einer kurzen gemeinsamen Reflektion, bei der sich gegenseitig gefeiert wird, und einem kurzen Cooldown. Für drei Minuten legen sich alle auf den Boden und fokussieren sich nur auf ihren Atem. Das hilft, um Körper und Geist wieder vom Stress des Trainings in den Regenerationsmodus zurückzuholen. Dann verabschieden sich alle, natürlich nicht ohne noch ein W oder L am Whiteboard zu setzen.
Heute habe ich mir das W wirklich verdient. Nach und vor jedem Elfmeter habe ich meine Mitspieler angefeuert.
Als Levin gerade gehen will, ruft Roger ihn nochmal zu sich. Er fragt ihn, ob er sich vorstellen könnte, mal bei einer jüngeren Gruppe als Trainer mitzuhelfen. Auch viel von Levins Trainern waren oder sind selbst als Spieler in der Fußballschule aktiv.
Und ob ich mir das vorstellen kann!
Mit einem breiten Grinsen schwingt Levin sich auf sein Fahrrad und radelt gut gelaunt nach Hause. Voller Vorfreude aufs Abendessen – und das Training in der nächsten Woche natürlich!
Was denkst du?
Erstmal vielen Dank, dass Du bis hierher gelesen hast. Ich hoffe, es war unterhaltsam. Wenn Du die Vision spannend findest, andere Ideen hast, Deine Kinder in unsere Fußballschule schicken oder selbst hingehen willst, Lust hättest, Dich als Trainer, Greenkeeper oder in sonst irgendeiner Rolle einzubringen oder Dir sonst irgendetwas dazu einfällt, würde wir uns über eine Nachricht oder ein Gespräch sehr freuen. Ganz egal auf welchem Weg.
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